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Meinung

25 Aug 2021

Autor:
Hannah Shaikh, Canadian lawyer and LLM Candidate at NYU School of Law, and Claudia Müller-Hoff, German lawyer and Senior Legal Advisor at ECCHR’s Business and Human Rights Program.

Ist die Prüfungs- und Zertifizierungsbranche fit für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht?

Der Deutsche Bundestag hat vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das bestimmte Unternehmen verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferkette nach Möglichkeit zu verhindern. Unternehmen sind nun gesetzlich verpflichtet, Sorgfaltsprüfungsverfahren einzuführen und umzusetzen, Risiken zu ermitteln, und Menschenrechtsverletzungen und ausgewählte Umweltverstöße zu verhindern beziehungsweise abzumildern.

Dieses Gesetz ist ein positiver Schritt, da es die Unternehmen rechtlich zur Einhaltung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) verpflichtet. Es geht jedoch nicht auf das Problem ein, dass Unternehmen, anstatt ihre eigene Sorgfaltsprüfung und Risikobewertung im Bereich der Menschenrechte vorzunehmen, sich zunehmend auf externe Prüfungs- und Zertifizierungsunternehmen verlassen, um ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Audits und Zertifikate beziehen sich heute auf eine breite Palette von Aspekten, von Arbeitsbedingungen über Produktsicherheit, Lieferkettenmanagement, Compliance-Systeme, private Sicherheitsdienste, fairen Handel, nachhaltige Fischerei oder Klimaneutralität. Sie alle behandeln Themen, die für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht eines Unternehmens von Bedeutung sind. Aber ist die Branche fit und in der Lage, selbst die Menschenrechte zu achten und die Menschenrechtspraktiken anderer zu prüfen und zu zertifizieren?

Menschenrechtsrisiken in der Audit- und Zertifizierungsbranche

Das European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat in Zusammenarbeit mit Misereor und "Brot für die Welt" eine Studie über vier Fälle durchgeführt, in denen Zertifizierungsunternehmen falsche Zertifikate ausstellten und so wohl selbst zu Menschenrechtsverletzungen beitrugen, die schwerwiegende und tödliche Folgen für Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen, Gemeinden und die Umwelt hatten:

- Im Jahr 2012 starben in Karachi 258 Arbeiter*innen bei einem Fabrikbrand bei Ali Enterprises, nur wenige Monate nachdem die Fabrik ein SA8000-Zertifikat erhalten hatte, das offensichtliche Brandschutzmängel nicht aufzeigte.

- Im Jahr 2019 führte der Dammbruch in Brumadinho zum Tod von 272 Menschen und zur Verschmutzung eines Flusses, vier Monate nachdem ein Zertifizierungsunternehmen den Damm trotz anhaltender Stabilitätsprobleme als stabil zertifiziert hatte.

- Zwischen 2001 und 2010 erlitten Tausende von Patientinnen schwerwiegende Gesundheitsprobleme, weil in Brustimplantaten, die als mit den EU-Sicherheitsvorschriften für Medizinprodukte konform zertifiziert waren, industrielles statt medizinisches Silikon verwendet wurde.

- Der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) ist seit über zehn Jahren Ziel von Beschwerden über die Verschleierung von Landraub, Vertreibungen, Pestizidvergiftungen und Gewalt, ohne dass die Organisation wirksam Abhilfe geschaffen hätte.

Die Studie zeigt, dass es in der Zertifizierungsbranche strukturelle Defizite gibt und dass es in allen Bereichen, sei es bei der Produktsicherheit, den sozialen (Arbeits-)Standards oder dem Umweltmanagement, keine oder nur unzureichende Regulierung und Steuerung gibt.

Die Anbieter von Audits und Zertifizierungen haben die Menschenrechte nicht wirksam in ihre eigene Unternehmenspolitik und ihre Due-Diligence-Prozesse integriert, was dazu führt, dass mangelhafte Standards und Methoden angewandt werden, die ein zu lückenhaftes Verständnis von Menschenrechten zeigen. In allen untersuchten Fällen gab es auch Mängel im Integritätsmanagement, etwa Interessenkonflikte oder Korruption. Diese Mängel sind weit verbreitet, da der Sektor nicht angemessen reguliert ist und keiner staatlichen Aufsicht unterliegt. Die fehlende Transparenz und der mangelnde Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen, z.B. zu Prüfungsberichten, sowie das Fehlen von rechtlicher Haftung und Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln für die Betroffenen verschärfen die Probleme. In der Praxis führt die Prüfung und Zertifizierung von menschenrechtsrelevanten Themen daher häufig zur Ausstellung von minderwertigen oder falschen Zertifikaten, die Menschenrechtsrisiken verschleiern und damit verhindern, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte ergriffen werden. Indem die Anbieter von Audits und Zertifizierungen Risiken verbergen, erhöhen sie diese Risiken für die Menschenrechte. Dies gilt für verschiedene Sektoren, unabhängig davon, ob die Audits (falsche) Aussagen etwa über die Arbeitsbedingungen, die Sicherheit von Produkten und Gebäuden oder die ökologische Nachhaltigkeit machen.

Daher sind Prüfungs- und Zertifizierungsunternehmen - so wie sie derzeit funktionieren - kaum in der Lage, die Menschenrechte selbst zu respektieren oder gar menschenrechtliche Themen anderer zu prüfen und zu zertifizieren. Die angesprochenen strukturellen Defizite müssen dringend behoben werden.

Was ist zu tun? - Vorschläge für Regulierung, Überwachung, Rechenschaft

Staaten haben die Pflicht, die Menschenrechte vor Eingriffen Dritter zu schützen. Um sicherzustellen, dass Unternehmen die Menschenrechte respektieren, sollten Staaten eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht vorschreiben. Sie müssen auch überwachen und sicherstellen, dass die Unternehmen diese einhalten. Wenn die Überwachung von Menschenrechtsfragen von privaten Prüfungs- und Zertifizierungsanbietern übernommen wird, muss der Staat im Rahmen seiner Pflicht zum Schutz der Menschenrechte sicherstellen, dass solche privaten Dienste effektiv und zuverlässig das leisten, was im Wesentlichen eine staatliche Aufgabe ist (UN-Leitprinzip 5). Dies setzt nicht nur voraus, dass alle Prüfungs- und Zertifizierungsunternehmen in den Anwendungsbereich von Gesetzen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht fallen. Wir brauchen auch eine neue und bessere staatliche Regulierung und Aufsicht des Prüfungs- und Zertifizierungssektors, die sich speziell mit den genannten Qualitäts- und Integritätsfragen befasst. Die Haftung gegenüber denjenigen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, ist ein Schlüsselelement, das die Rechenschaftspflicht der Prüf- und Zertifizierungsstellen erhöht und auch eine Verbesserung der Qualität und Integrität der Prüfung und Zertifizierung bewirken kann.

Ein nicht regulierter Markt für menschenrechtsbezogene Audits und Zertifizierungen würde zu einem Wettbewerb ohne Mindeststandards führen, der einen Unterbietungswettlauf auf Kosten der Qualität in Gang setzen würde. Dies lässt sich bereits im Bereich der Sozialaudits beobachten. Dieser Ansatz würde den Wert der Zertifizierung schmälern und könnte letztlich das gesamte Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ihrer praktischen Substanz und Bedeutung berauben.

Die ECCHR-Studie „Menschenrechtsfitness von Audits und Zertifizierern?“ (Kurzfassung) schlägt praktische Lösungen für die menschenrechtlichen Risiken des Audit- und Zertifizierungssektors vor. Sie richtet sich an Prüfgesellschaften, Standardsetzer sowie Staaten und deckt alle identifizierten Bereiche ab, in denen Verbesserungsbedarf besteht: (1) menschenrechtliche Sorgfaltspflicht und Haftung für Audit- und Zertifizierungsanbieter, (2) Qualitätssicherung für Standards und Methoden, (3) Integritätsmanagement sowie (4) staatliche Governance, öffentliche Beteiligung und Zugang zu Rechtsmitteln.

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