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Meinung

30 Apr 2021

Autor:
Gwendolyn Remmert, Sustainable Links

Unternehmen können von menschenrechtlicher Sorgfalt profitieren – wenn sie sich trauen

Zurzeit wird viel darüber berichtet, wie das künftige „Lieferkettengesetz“ am besten professionell gemanagt werden kann und welche juristischen Fallstricke sich für Unternehmen daraus ergeben. Es wäre eine verpasste Chance, wenn Unternehmensvertreter*innen, gerade solche, die sich neu mit diesem Thema beschäftigen, nur durch diese Brille auf Sorgfaltspflichten schauen. Als jemand, die seit über 10 Jahren zu Sorgfaltsprozessen in und mit Unternehmen arbeitet, fehlt mir in der aktuellen Debatte eine stärker praxis- und chancenorientierte Perspektive: Was kann es Unternehmen bringen, menschenrechtliche Sorgfalt umzusetzen? Welche Ansätze bei der praktischen Umsetzung von Sorgfaltspflichten funktionieren und welche nicht?

Die Treiber für Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen sind vielfältig und sich diesen Themen professionell zu stellen, ist zunehmend alternativlos. Während Umwelt- und Klimaschutz als gesellschaftliche Ziele Einzug in die Geschäfts- und Marketingstrategien gefunden haben, setzen viele deutsche Unternehmen sich noch nicht systematisch damit auseinander, ob ihre Prozesse den Erwartungen menschenrechtlicher Sorgfalt entsprechen. Das gilt sowohl für (1.) direkte und indirekte Lieferanten und Geschäftspartner*innen als auch (2.) für den eigenen Geschäftsbereich einschließlich eigener Mitarbeiter*innen. Das hat auch das Monitoring zum Nationalen Aktionsplan deutlich gezeigt.

Ich möchte dazu ermutigen, auch auf Sorgfaltspflichten mit Zuversicht und Innovationsdenken zu schauen. Im Kern geht es darum, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Menschen und Umwelt im jeweiligen Kontext besser zu verstehen, durch innovativere und verantwortungsvollere Herangehensweisen positiver zu gestalten und dies in Geschäftsentscheidungen zu integrieren. Dadurch können beispielsweise unnötige Prozesse abgeschafft oder neu priorisiert und Widersprüche aufgelöst werden, um letztendlich Produkte und Arbeitsplätze von nachhaltigem gesellschaftlichem Wert zu schaffen. Warum also nicht menschenrechtliche Sorgfalt im Unternehmen so gestalten, dass sie auch dem Unternehmen nützt? Sich zu trauen, Lieferanten, Geschäftspartner*innen, die eigenen Mitarbeiter*innen oder lokale Stakeholder dabei als echte Partner zu sehen, schafft langfristigere, verlässlichere Beziehungen, auf deren Basis sowohl Nachhaltigkeits- als auch betriebswirtschaftliche Ziele z.B. hinsichtlich Qualität oder Innovationen neu verhandelt werden können. Es entsteht ein gemeinsamer Sinn, eine Motivation, die für jeden der Beteiligten zeigt, dass es sich lohnt zu investieren und etwas einzubringen.

Lieferanten und Geschäftspartner*innen auf Augenhöhe begegnen

Worum geht es, wenn bei menschenrechtlicher Sorgfalt von Risikoanalyse, Präventions- oder Abhilfemaßnahmen in Bezug auf die eigene Wertschöpfungskette gesprochen wird? Unternehmerische Entscheidungen nachhaltiger zu gestalten, geschieht nicht über Nacht, aber auch nicht durch den Kauf externer Zertifikate oder die Formulierung neuer, strengerer Vertragsklauseln, ohne einmal mit Lieferanten oder potenziell oder tatsächlich Betroffenen den direkten Dialog gesucht zu haben. Sorgfalt bedeutet, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Menschen in der Wertschöpfungskette zu verstehen, aber auch Herausforderungen und Abhängigkeiten sehen zu wollen. Dies ist nicht nur menschenrechtlich geboten, es lohnt sich auch, weil negative Auswirkungen das Geschäft beeinflussen können, z.B. in dem es zu Lieferengpässen durch fehlendes Kontextwissen kommt. Dies hat uns nicht zuletzt die COVID-19-Pandemie gezeigt.

Für die eigene Einkaufsorganisation bieten die Analyse von Risiken und die Definition von Präventions- und Abhilfemaßnahmen eine Chance für eine vertrauensvollere und zuverlässigere Zusammenarbeit mit Lieferanten. Dies geschieht etwa, indem proaktiv der Austausch mit risikobehafteten Lieferanten gesucht wird, etwa zu den Herausforderungen des Lieferanten bei der Umsetzung von Anforderungen zu Arbeitsstandards und Menschenrechten, dazu, was der Lieferant selbst zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens beitragen möchte oder was es braucht, um gemeinsam daran zu arbeiten. Ein besseres Verständnis der eigenen Lieferkette kann dazu beitragen, die Kosten durch Effizienz zu senken und gleichzeitig die Qualität der gelieferten Waren zu steigern. Anstelle von Compliance-orientierten Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip, deren Umsetzung oft mit viel Aufwand und wenig Nutzen für die tatsächliche Risikominimierung für Menschen und Umwelt verbunden ist, können mit Hilfe eines priorisierenden und partnerschaftlichen Vorgehens i.S. der menschenrechtlichen Sorgfalt zielgerichtet wirkungsvolle Schritte für kritische Lieferketten entwickelt werden.

Eigene Mitarbeiter*innen für die Unternehmensstrategie gewinnen

Das geplante deutsche Gesetz hat, wie schon die Leitprinzipien der Vereinten Nationen, neben der Lieferkette auch die eigenen Standorte und Mitarbeiter*innen im Blick. Viele deutsche Unternehmen sind mit Standorten weltweit vertreten. Das geht oft einher mit hohen Standards, aber eben nicht immer. Denn gearbeitet wird nicht nur in modernen Büros, sondern auch in Fabriken und Werken, die entweder direkt oder mit Joint-Venture-Partnern betrieben werden. Meine Erfahrung in der Arbeit mit ausländischen Standorten deutscher Unternehmen zeigt: Die deutsche Wirtschaft hat einen guten Ruf und häufig sind Mitarbeiter*innen dankbar, in einem solchen Unternehmen arbeiten zu dürfen. Gleichzeitig fühlen sie sich oft nicht gehört oder überrollt von Anforderungen der Unternehmenszentrale. Für einen Austausch über kulturelle Differenzen und Problemfelder gibt es wenig Raum. So kann es vorkommen, dass menschenrechtliche Auswirkungen wie Diskriminierung, systematische Arbeitszeitverletzungen oder fehlende Gewerkschaftsfreiheit nicht erkannt werden. Warum also nicht mal auf den tatsächlichen Kontext am Standort schauen? Wenn man menschenrechtliche Sorgfalt als Chance begreift, einen neuen Raum für Austausch mit der eigenen Belegschaft zu schaffen, können Risiken effektiver und frühzeitig adressiert werden, anstatt immer wieder Feuer löschen zu müssen. Egal ob es um Mitarbeiter*innen an in- oder ausländischen Standorten geht: Sorgfalt ernst zu nehmen bedeutet, Mitarbeiter*innen zu ermutigen, Bedenken auszusprechen und Fragen zu stellen, wie: Warum ist ein Produkt des Lieferanten so billig? Wieso kommt kein Feedback in die Feedback-Box? Die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitnehmer*innen, die Geschäftsentscheidungen nachvollziehen können und sich mit dem Unternehmen identifizieren, kündigen oder das Unternehmen öffentlich anprangern, bevor sie den internen Dialog suchen, ist gering.

Angst durch Zuversicht ersetzen

Nicht zuletzt kann eine menschenrechtliche Perspektive für Unternehmen eine Geschäftsoption sein: Wenn man den Kontext und sein eigenes Produkt besser versteht, können daraus Produkte entstehen, die echte gesellschaftliche Probleme lösen und einen positiven Beitrag leisten, etwa zum Recht auf Gesundheit oder Bildung. Diese Perspektive bietet damit auch eine Chance, die viel diskutierte Sinnsuche (Purpose) in Unternehmen voranzubringen.

Wenn Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen zukünftig nicht nur auf das Geschäftsmodell, auf Shareholderstrukturen oder auf den Wortlaut gesetzlicher Erwartungen zugeschnitten sind, sondern auf die tatsächlichen Risiken und Bedürfnisse der Menschen in der eigenen Wertschöpfungskette, dann können diese Strategien im wahrsten Sinne „nachhaltig“ sein. Sorgfaltspflichten sind eine Chance, diese Perspektiven einzubinden, und zwingend notwendig, wenn wir unsere globale Klima-, Umwelt- und Entwicklungsziele (SDGs) erreichen wollen. Auch deshalb sind Menschenrechte die zentrale Wertegrundlage der globalen Entwicklungsziele.

Wenn wir akzeptieren, dass die Umsetzung von Menschenrechtstandards in der Wirtschaft nicht kostenneutral ablaufen kann, warum es dann nicht gleich richtig machen? Sich trauen, einfach da anfangen, wo man steht und frische Ideen entwickeln, wie neue, verantwortungsvollere Wertschöpfungsketten aussehen können. Ich freue mich darauf, zu sehen, was entsteht, wenn die Energie weniger auf die Abwehr von Veränderungen und mehr auf die Lösung der tatsächlichen sozialen und ökologischen Herausforderungen fokussiert wird.

Gwendolyn Remmert ist Co-Gründerin & Geschäftsführerin von Sustainable Links.

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