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Meinung

17 Dez 2019

Autor:
17/12/2019 - Saskia Wilks, Centro sobre Empresas y Derechos Humanos,
Autor:
17/12/2019 - Saskia Wilks, Business & Human Rights Resource Centre,
Autor:
17/12/2019 - Saskia Wilks, Centre de ressources sur les Entreprises et les Droits de l'Homme,
Autor:
17/12/2019 - Saskia Wilks, Business & Human Rights Resource Centre

Die große Hoffnung auf verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten 2020

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In den letzten Jahren ist das Momentum für verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten (Human Rights Due Diligence, HRDD) rasant gewachsen. Auf internationaler Ebene gibt es Bemühungen, verbindliche Regelungen zu Sorgfaltspflichten im Rahmen eines möglichen rechtsverbindlichen UN-Abkommens über Wirtschaft und Menschenrechte („UN Treaty“) voranzutreiben, und zunehmend verabschieden oder diskutieren Regierungen solche regulatorischen Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene (siehe unser Portal und unsere Blog-Serie).

Die Zeit ist reif für diese Entwicklung: Evidenzbasierte Untersuchungen belegen eine anhaltend schwache Umsetzung von HRDD durch Unternehmen. Im Corporate Human Rights Benchmark 2019 stand bei fast der Hälfte (49%) der bewerteten Unternehmen bei allen Sorgfaltspflichten-Indikatoren der Wert null zu Buche. Mit wenigen Ausnahmen kommen Analysen zu Unternehmen in Europa – darunter die 50 finnischen, 22 irischen und 20 deutschen Top-Unternehmen – zu ähnlichen Ergebnissen. Angesichts des Scheiterns freiwilliger Maßnahmen sind Gesetze und Regulierungen zu verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten dringend erforderlich. Diese könnten wesentlich dazu beitragen, den Menschenrechtsschutz für die von Unternehmensaktivitäten negativ betroffenen Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern, Opfern Zugang zu Gerechtigkeit zu sichern und Unternehmen bei Verstößen rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Europäisches Momentum

Zwei Jahre nachdem Frankreich 2017 mit seinem Sorgfaltspflichtengesetz („Loi sur le devoir de vigilance“) Pionierarbeit geleistet hat, laufen in einem Dutzend europäischer Länder Diskussionen zu einer solchen Gesetzgebung. Vor kurzem hat ein von der norwegischen Regierung beauftragter Sachverständigenausschuss ein nationales Gesetz zu verbindlichen menschenrechtlichen Transparenz- und Sorgfaltspflichten ausgearbeitet, letztere nur für größere Unternehmen. Die Diskussion hat mittlerweile auch die regionale Ebene erreicht. Im Rahmen seines EU-Ratsvorsitzes hat Finnland sich verpflichtet, das Thema auf EU-Ebene voranzubringen, und eine hochrangig besetzte EU-Konferenz zu Wirtschaft und Menschenrechten mit Diskussionen zu HRDD-Gesetzgebung abgehalten. Der regionale Prozess ist von entscheidender Bedeutung, da Rechtsvorschriften auf EU-Ebene dazu beitragen können, dass auf nationalen Entwicklungen aufgebaut wird und eine Harmonisierung stattfindet.

Die Entscheidung der deutschen Bundesregierung über die Einführung eines solchen Gesetzes auf nationaler Ebene wird ebenfalls für das nächste Jahr erwartet, abhängig von den Ergebnissen einer laufenden Untersuchung, wie deutsche Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Unser im vergangenen Monat veröffentlichter Benchmark der 20 größten deutschen Unternehmen ergab, dass keines von ihnen nachweisen konnte, dass es die grundlegenden Anforderungen aus den UN Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGPs) vollständig erfüllt. Aktuelle Erklärungen von Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller deuten darauf hin, dass die ersten Ergebnisse der breiter angelegten Studie der Bundesregierung ähnlich ausgefallen sind. Tatsächlich haben die beiden Minister angekündigt, Eckpunkte eines Gesetzentwurfs zu erarbeiten, ein Gesetz ist mittlerweile also sehr wahrscheinlich. Mit der bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 hat Deutschland die Möglichkeit, das Momentum auch auf EU-Ebene hochzuhalten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat bereits angekündigt, dass er dies zu einem Schwerpunkt machen will.

Die Zivilgesellschaft war und ist ein wichtiger Motor hinter dieser Entwicklung, mit Kampagnen in Finnland, Deutschland und anderen europäischen Staaten. Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen und Netzwerke haben sich kürzlich einem Aufruf zur Einführung EU-weiter Sorgfaltspflichten angeschlossen.

Die Rolle von Unternehmen und Investoren

Die Unterstützung durch Unternehmen und Investoren ist ein wichtiges Signal von Seiten des Marktes, dass Gesetzgebung zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten sinnvoll und erwünscht ist. Unternehmen waren an mehreren HRDD-Kampagnen beteiligt, u.a. in Finnland und der Schweiz. Im Fall des niederländischen Gesetzes gegen Kinderarbeit hat eine Gruppe von Unternehmen, darunter große niederländische Unternehmen wie Heineken, ein Unterstützungsschreiben ans Parlament geschickt. Immer mehr Unternehmen wie Daimler, Mars und Nestlé schließen sich denen an, die Wert auf harmonisierte und verbindliche Standards legen, von staatlicher Seite festgelegt, um Erwartungen zu klären und Rechtssicherheit sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Eine vom Ressource Centre veröffentlichte Erklärung zur Unterstützung verbindlicher Sorgfaltspflichten in Deutschland wurde von 42 deutschen Unternehmen unterzeichnet.

Gleichzeitig lehnen andere Unternehmen verbindliche Gesetzgebung zu dem Thema strikt ab. In der Schweiz wurde einer Gruppe von 19 Unternehmen vorgeworfen, sich gegen einen parlamentarischen Vorschlag zu verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten eingesetzt zu haben. Dies veranlasste den Autor der UNGPs, John Ruggie, zu einem Kommentar, in dem er klarstellte, dass solche Gesetze entgegen der Behauptung der Unternehmen mit den UNGPs vereinbar seien.

Zunehmend wird auch anerkannt, welch wichtige Rolle Investoren als Treiber und Hebel im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht spielen können, indem sie von Unternehmen in ihrem Portfolio entsprechende Schritte verlangen. Koordiniert von der Investor Alliance for Human Rights hat eine beträchtliche Anzahl von Investoren kürzlich "The Investor Case for Mandatory Human Rights Due Diligence" veröffentlicht, mit dem die Investoren Regierungen auffordern, Sorgfaltspflichtengesetze zu verabschieden und so dazu beizutragen, dass Risiken analysiert und Verstöße verhindert werden.

Verantwortung und Haftung

Es bleibt die Frage, wie über Gesetze zu verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten Unternehmen zur Rechenschaft gezogen und wirksame Abhilfe und Wiedergutmachung für Opfer von wirtschafts- und unternehmensbezogenen Verstößen gewährleistet werden könnten. Ohne strenge Rechenschaftspflicht bleiben Vorschriften zahnlos. Die European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) argumentiert, ein Gesetz sollte zumindest eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden, die von direkt oder indirekt kontrollierten Einheiten verursacht wurden, etablieren und geschädigten Personen die Möglichkeit geben, gegen die Muttergesellschaft zu klagen. Die bestehenden Gesetze/Entwürfe verfolgen unterschiedliche Ansätze. Während das französische Sorgfaltspflichtengesetz und der Schweizer Vorschlag die verbindliche Sorgfaltspflicht mit (zivilrechtlicher) Unternehmenshaftung verknüpfen, stützt sich das niederländische Gesetz auf strafrechtliche Sanktionen einschließlich Bußgeldern und sogar Freiheitsstrafen, beinhaltet aber keine Vorkehrungen für Schadenersatz.

Der wirkliche Prüfstein für diese Mechanismen wird ihre praktische Wirksamkeit sein. Dies ist jetzt zuerst beim französischen Gesetz zu beobachten. Im Oktober 2019 brachten sechs ugandische und französische NGOs gegen Total die erste Klage im Rahmen der Regulierung auf den Weg, es geht um ein Ölfeld-Projekt, und zwei weitere Unternehmen, die EDF Group und XPO Logistics, erhielten in diesem Herbst eine formale Aufforderung zur Einhaltung des Gesetzes.

Auf internationaler Ebene sieht der im Juli 2019 veröffentliche überarbeitete Entwurf eines verbindlichen UN-Vertrags eine Verpflichtung für Staaten vor, verbindliche HRDD-Gesetze einzuführen (Artikel 5), sowie Bestimmungen über die rechtliche Haftung von Unternehmen, um sicherzustellen, dass Opfer wirtschafts- und unternehmensbezogener Menschenrechtsverstöße Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung erlangen (Artikel 4).

Der Blick über Europa hinaus

Jetzt, da die unterschiedlichen Diskussionen in Europa an Dynamik gewinnen, ist die Teilhabe der betroffenen Gemeinschaften, Arbeiter*innen und Zivilgesellschaft aus dem globalen Süden von entscheidender Bedeutung. Ihre Stimmen machen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern noch stärker deutlich, wie notwendig wirksame Regulierung ist. Darüber hinaus initiieren Menschenrechtsorganisationen wie Conectas in Brasilien Diskussionen zu verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auf nationaler Ebene, und der Nationale Aktionsplan (für Wirtschaft und Menschenrechte) Kenias enthält eine Bestimmung, die die zuständigen Behörden ermutigt, verbindliche Sorgfaltspflichten in Betracht zu ziehen. Die Bewegung in Europa kann davon profitieren, wenn sie die Entwicklungen andernorts mit in den Blick nimmt – und umgekehrt.

Die Prozesse auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene sind von entscheidender Bedeutung, um das Leben der Menschen vor Ort ohne weitere Verzögerungen wirksam zu verbessern. Aller Voraussicht nach wird 2020 für die verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus ein bedeutsames Jahr.

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