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Artikel

20 Mär 2023

Autor:
tagesschau

Serbien: Laut NGO-Bericht finanzieren Deutsche Unternehmen durch Anzeigen in serbischen Medien Desinformation

"Wie deutsche Firmen Desinformation finanzieren", 15. März 2023

In vielen serbischen Medien wird massiv Stimmung gegen die EU und pro Russland gemacht. Die Auswertung der serbischen NGO CRTA zeigt: Ausgerechnet westliche Unternehmen finanzieren diese Medien durch Anzeigen - auch viele deutsche.

"Russland wurde zum Krieg gezwungen", in der Ukraine seien "ethnische Säuberungen" durchgeführt worden, ohnehin habe der Westen den Krieg in der Ukraine begonnen: Das sind Äußerungen in reichweitenstarken serbischen Medien, die dort unwidersprochen getätigt werden konnten. Dahinter steht nicht zuletzt der serbische Präsident Alexander Vucic, der die Medienlandschaft im Land zu großen Teilen unter seine Kontrolle gebracht hat.

Was brisant daran ist: Nach Angaben der serbischen Nichtregierungsorganisation CRTA finanzieren sich viele der serbischen Medien zu großen Teil durch Anzeigenerlöse westlicher Unternehmen. Eine Auswertung der Werbung in den überregionalen Fernsehsendern und Tageszeitungen des vergangenen Jahres kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 63 Prozent davon von Unternehmen aus der EU, den USA oder der Schweiz stammte. "Ohne das Geld der westlichen Unternehmen wäre die serbische Propagandamaschinerie nicht machbar", sagt Rasa Nedeljkov, Programmdirektor bei CRTA.

Fast zehn Prozent der Anzeigen von deutschen Firmen

Auch deutsche Unternehmen sind im erheblichen Umfang daran beteiligt und gehören laut Nedeljkov zu den "wichtigsten Akteuren auf dem serbischen Werbemarkt": Sie machen knapp zehn Prozent der ausgewerteten Anzeigen aus. Zum Vergleich: Private und staatliche serbische Unternehmen kommen nach Angaben von CRTA zusammen auf 36 Prozent, russische sogar nur auf 0,1 Prozent.

Mehr als zehn deutsche Unternehmen schalteten im vergangenen Jahr in serbischen Medien jeweils Anzeigen im Wert von mehr als einer Million Euro. LIDL gab mit großem Abstand am meisten Geld aus, insgesamt schaltete der Konzern Anzeigen im Wert von gut 54 Millionen Euro. Dahinter folgen Beiersdorf mit 10,3 Millionen Euro, Glovo - das zu Delivery Hero gehört - mit fünf Millionen Euro und die Berlin Chemie AG mit 3,7 Millionen Euro. Auch dm, Dr. Theiss, Bayer und METRO schalteten jeweils Werbung im Wert von mehr als einer Million Euro. Die Anzeigen wurden jeweils in verschiedenen Medien platziert.

"Mehr als die Hälfte der Ausgaben von LIDL gingen unserer Analyse nach an die Fernsehsender TV Pink und TV Happy, die beide für ihre prorussische Kriegspropaganda und ihre unprofessionelle und unethische Berichterstattung berüchtigt sind", sagt Nedeljkov. TV Pink ist nach Angaben von Nielsen Television Audience Measurement der meistgesehene kommerzielle Fernsehsender in Serbien. Auch alle anderen deutschen Unternehmen schalteten der Auswertung von CRTA zufolge bei TV Pink Werbung.

Schlechtes Bild von der EU

TV Pink gilt zusammen mit TV Happy zu den extremsten Medien des Landes. Hier werden zum Beispiel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vor allem die russischen Narrative verbreitet. So wird die russische Desinformation über die angebliche "Entnazifizierung" übernommen, oder die mutmaßlich von russischen Soldaten verübten Kriegsverbrechen in Butscha als Manipulation dargestellt. Zudem wird die NATO für den Krieg verantwortlich gemacht. Auch die Desinformation über die Biolabore spielt immer wieder eine Rolle.

Hinzu kommt, dass in den Medien ein schlechtes Bild von der EU gezeichnet wird. So wird unter anderem behauptet, es gebe keine Meinungsfreiheit in der EU. [...]

Thomas Hacker, Bundestagsabgeordneter der FDP, fordert von deutschen Unternehmen, besser zu analysieren, wo sie Werbung schalten. [...]

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic findet das Verhalten der beteiligten deutschen Unternehmen "zweifelhaft" - besonders mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. [...]

Wirtschaftliche Interessen im Vordergrund?

An Unwissenheit der Unternehmen hat Nedeljkov seine Zweifel: "Diese Unternehmen haben ihre lokalen Büros und Angestellten, lokale Werbe- und Medieneinkaufsagenturen - seit langem ist der 'professionelle Ruf' dieser Medien unübersehbar, wenn man in Serbien lebt und geschäftlich tätig ist oder auch nur einige Zeit hier verbringt." Er vermutet daher, dass es an der Reichweite dieser Medien liegt, die sie für Werbeanzeigen aus Sicht der Unternehmen attraktiv macht.

Auch Aleksandra Tomanic, Geschäftsführerin des European Fund for the Balkans, sieht die deutschen Unternehmen in der Verantwortung. "Gerade im Kontext des letzten Jahres und mit Blick darauf, wie viele Opfer die deutsche Wirtschaft, die deutsche Politik und die Bevölkerung in Deutschland gebracht haben, um sich deutlich moralisch zu positionieren, geht das gar nicht." Würden die Unternehmen zum Beispiel bei den russischen Sendern RT oder Sputnik Werbung schalten, wäre die Empörung groß. Die serbischen Medien seien jedoch mindestens genauso schlimm und würden durch die Anzeigen westlicher Unternehmen legitimiert und finanziert.

"Unternehmensgewinne können keine Entschuldigung für alles sein", sagt Tomanic. "Es gibt auch eine moralische und gesellschaftliche Verantwortung. Und von freier Marktwirtschaft kann man in Serbien nicht reden, wenn man sich die Rahmenbedingungen und politische Einflussnahme anguckt. Serbien ist im Moment einfach leider keine Demokratie mehr."

Unternehmen weisen Verantwortung von sich

Wie viel Geld die Unternehmen im vergangenen Jahr für Anzeigen in serbischen Medien ausgegeben haben, wollten sie auf Anfrage des ARD-faktenfinders nicht preisgeben. Ein Sprecher von LIDL Serbia teilte mit, dass die Entscheidung, wo Anzeigen geschaltet werden, "auf der Grundlage von Marketingkennzahlen wie zum Beispiel der Reichweite" getroffen würden, "um unsere Kunden und potenziellen Kunden bestmöglich zu erreichen".

Weiter heißt es: "Die Entscheidungen über spezifische Marketingmaßnahmen werden in den LIDL-Ländern auf nationaler Ebene getroffen und nutzen die vorhandenen Medienstrukturen unter länderspezifischen Gegebenheiten. Sie spiegeln nicht die politische Einstellung des Unternehmens wider."

Ein Sprecher von METRO Serbia teilte mit, dass das Unternehmen im Rahmen seiner Werbeaktivitäten mit einer Vielzahl von Medien zusammenarbeite, um seine Zielgruppen möglichst effektiv zu erreichen. Man verfolge hierbei "aber ausschließlich kommerziellen Ziele und mischt sich niemals in politische Angelegenheiten ein". Glovo antwortete auf Anfrage des ARD-faktenfinders, das Unternehmen würde sicherstellen, "dass unsere Werbung nicht neben unangemessenen oder illegalen Inhalten erscheint". Zudem sei das Medienbudget für das Fernsehen in Serbien im vergangenen Jahr "weitaus geringer" gewesen als die genannte Schätzung.

Dm Serbien schrieb auf Anfrage des ARD-faktenfinders, dass das Unternehmen mit TV Pink zusammenarbeite, da der Sender "der reichweitenstärkste Sender in Serbien" ist. Hauptkriterien für die Auswahl der Medien von dm seien "Zielgruppen, Reichweite, sowie Programmplan". Dm Serbien sehe lediglich bei einem serbischen TV-Sender eine klar ausgeprägte prorussische und antiwestliche Haltung, "mit dem wir auch nicht zusammenarbeiten".

Ein Sprecher von Beiersdorf teilte mit, dass das Unternehmen grundsätzlich auf den Kanälen Werbung schalte, "auf denen wir die größte Reichweite erzielen und unsere Konsument*Innen effizient erreichen". Dazu gehöre in Serbien auch der Sender TV Pink. Bayer teilte mit, den Sachverhalt prüfen zu wollen. Die Unternehmen Dr. Theiss und die Berlin Chemie AG gaben keine Stellungnahme dazu ab. [...]