Internationaler Tag der indigenen Völker 2023: Anhaltende Gewalt gegen indigene Völker in Brasilien
Nicht nur anlässlich des heutigen internationalen Tags der indigenen Völker rückt Brasilien ins Interesse der Öffentlichkeit. Vor allem unter der früheren Regierung von Präsident Jair Bolsonaro wurde weltweit mit Besorgnis auf die Abholzung des Regenwaldes und die einhergehende Zerstörung der Lebenswelt indigener Bevölkerungsgruppen geblickt. Denn Bolsonaros Präsidentschaft stand für den systematischen Abbau von Schutzmaßnahmen für die indigenen Völker Brasiliens und deren Eigentum. Dies bestätigt auch der Jahresbericht für 2022 „Gewalt gegen indigene Völker in Brasilien“ von der Fachstelle für indigene Fragen CIMI, einer Partnerorganisation von Misereor. Der Bericht dokumentiert die enormen Schäden, Invasionen und Konflikte in den indigenen Territorien. So wurden 1.334 Fälle von Gewalt gegen das Eigentum indigener Völker registriert, darunter die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch Abholzung, Bergbau und Goldsuche. Auch die direkte Gewaltanwendung gegen indigene Personen ist mit 416 Fällen nicht zurückgegangen. So sind die Indigenen in hohem Maße von Machtmissbrauch, Drohungen, ethnisch-kultureller Diskriminierung und Tötungsdelikten betroffen...
[D]as auf Rohstoffgewinnung und -export ausgelegte Wirtschaftsmodell Brasiliens [stelle] eine immer größere Bedrohung für indigene Gemeinschaften dar... Ein direkter Zusammenhang des Anbaus von Zuckerrohr und Soja mit Entwaldung und Landkonflikten konnte mehrfach dokumentiert werden...
Die Zustände könnten sich verschlechtern: Das von der deutschen Regierung angestrebte EU-Mercosur-Abkommen verstärkt nach Ansicht der Misereor-Brasilienreferentin Madalena Ramos Görne diese Missstände. Das Freihandelsabkommen erleichtert und steigert demnach den Import von Agrarprodukten und metallischen Rohstoffen aus den Mercosur-Staaten in die EU. Somit würden die indigenen Gebiete Brasiliens zunehmend im Zentrum wirtschaftlicher Interesse stehen... Diese Rolle wird von dem seit Januar 2023 amtierenden Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva hinterfragt. Seine Regierung setzte bereits deutliche Signale in Richtung von mehr Schutz indigener Bevölkerungsgruppen. Dafür steht exemplarisch die Einführung des Ministeriums für indigene Völker.
Die deutsche Bundesregierung könne einen Beitrag zur Verbesserung der Situation indigener Bevölkerungsgruppen leisten, so Ramos Görne. Bei den anstehenden Regierungsverhandlungen im Herbst könne sie die Notwendigkeit der Ratifizierung des sogenannten Escazú-Abkommens durch Brasilien bekräftigen. Das Abkommen steht für die Förderung umweltgerechter Praktiken in den Lieferketten und der Rohstoffproduktion. Der Bergbau und die Agrarindustrie tragen laut Ramos Görne in Brasilien in hohem Maße zur Zerstörung der biologischen Vielfalt bei. Infolgedessen verlieren viele indigene Gemeinschaften ihre Lebensgrundlagen...