Deutschland: Erhebliche Zweifel an BAFA-Weisung des Wirtschaftsministeriums zur Anwendung des Lieferkettengesetzes
„Ein bisschen Kinderarbeit ist okay", 24. Oktober 2025
Das deutsche Lieferkettengesetz soll seit 2023 Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten von Unternehmen verhindern. Dass es funktioniert, zeigt folgendes Beispiel: Zweimal streikten 2023 Dutzende LKW-Fahrer*innen auf einer Raststätte bei Frankfurt am Main für bessere Arbeitsbedingungen. Der zuständige Behörden-Leiter fuhr persönlich zur Raststätte, um zu schauen, welche Firmen ihre Waren auf den Lastwägen geladen hatten. Das machte Eindruck: Mehrmals machten seitdem große deutsche Unternehmen in ähnlichen Situationen Druck auf Logistikfirmen, weil sie sich durch das Lieferkettengesetz verantwortlich sahen.
Doch die rot-schwarze Koalition hat es sich zum Ziel gesetzt, das Gesetz zu stutzen... Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf am 3. September beschlossen. Doch bis zu dieser Gesetzesänderung will die Bundesregierung offenbar nicht warten und verhält sich nach Einschätzung mehrerer Jurist*innen verfassungs- und menschenrechtswidrig. Das zeigt eine Weisung des Bundeswirtschaftsministeriums, die ein FragDenStaat-Nutzer über das Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat.
Das Wirtschaftsministerium hat die Weisung Ende September 2025 per E-Mail an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geschickt. Das BAFA ist für die Anwendung des Gesetzes zuständig und prüft beispielsweise Beschwerden von Betroffenen...
Das Problem: Das Wirtschaftsministerium kann nicht einfach per E-Mail ändern, was in einem Gesetz festgeschrieben ist. Dazu müsste der Bundestag ein Änderungsgesetz verabschieden. Ein solches Gesetz ist zwar auf dem Weg, allerdings hat es der Bundestag noch nicht beschlossen. Mit der Weisung schafft das Wirtschaftsministerium nun Fakten, ohne auf das Parlament zu warten... Haben Bundesbeamt*innen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Weisung, müssen sie dies bei ihren Vorgesetzten melden... Auf Nachfrage schreibt das BAFA, dass der Behörde keine Bedenken von Mitarbeiter*innen bekannt seien. Auch die Leitung des BAFA hat offensichtlich keine Zweifel, denn die Behörde setzt die Weisung aktuell um.
...Weil mit der Weisung womöglich die Rechte der Abgeordneten im Bundestag übergangen wurden, prüft die Linksfraktion aktuell eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht.