Taiwan: Ausländische Arbeiter*innen bei Zulieferern deutscher Unternehmen mutmaßlich schlechten Arbeitsbedingungen & Schulden wegen Vermittlungsgebühren ausgesetzt
"Moderne Zwangsarbeit in Taiwan" 29 August 2022
Viele der 150.000 vietnamesischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die jedes Jahr einen Job im Ausland suchen, haben eine ständige Reisegefährtin namens Schuldknechtschaft. In Taiwan schuften Zehntausende für Firmen, die Elektrogeräte, Plastikartikel, Maschinen, Textilien, Chemiefasern und Nahrungsmittel für den Weltmarkt produzieren.
Einige dieser Betriebe sind Zulieferer deutscher Konzerne wie Continental, Bosch oder Hella, und damit für die wichtigste deutsche Wirtschaftsbranche, die Autoindustrie.
Die von diesen Firmen angeworbenen Arbeitskräfte sind bereits bei ihrer Ankunft in Taiwan hoch verschuldet. Üblicherweise haben sie das Drei- bis Vierfache eines vietnamesischen Jahreslohns an die Anwerber in ihrer Heimat bezahlt, die ihnen den Job vermittelt haben. Solange sie ihre Schulden nicht abbezahlt haben, können sie es sich nicht leisten, ihre Beschäftigung wieder zu verlieren, und so sind sie ihren Arbeitgebern über viele Monate schutzlos ausgeliefert.
Um diese Art der Schuldknechtschaft zu unterbinden, schreiben fortschrittlichere Unternehmen ihren Zulieferern vor, dass sie ihren Arbeitskräften kein Geld für die Jobvermittlung abnehmen dürfen. Das tun zum Beispiel Continental und Bosch, während Hella solche Zahlungen zulässt, sofern diese nicht auf Schuldknechtschaft hinauslaufen. [...]
Ein weiterer Großkunde ist der niederländische Konzern Dutch State Mines (DSM), der sich zu einem Chemieunternehmen entwickelt hat. [...]
Insgesamt arbeiten in Taiwan etwa 700.000 Migrantinnen und Migranten. Sie machen bei einer Bevölkerung von 23 Millionen nur eine kleine Minderheit aus, aber bei den sogenannten 3D-Jobs (dirty, dangerous, difficult) sind sie unentbehrlich. [...]
Bei Chin Poon Industrial durften Ngoc und ihre Kolleginnen in der kritischen Covidphase des Jahres 2021 sich nur für eine streng begrenzte Zeit vom Werksgelände entfernen. Bis heute gilt für sie eine nächtliche Ausgangssperre; wenn sie die verletzen, werden sie bestraft – durch Abzüge nicht am Lohn, sondern an den Bonuszahlungen.
Bei SSFC berichteten Arbeiter im Detail über die Bußgeldtarife, die für „Fehler“ bei der Fließbandarbeit oder für Verstöße gegen die Wohnheimregeln gelten. Die Aufseher in den firmeneigenen Heimen können Strafen für zu langes Aufbleiben, zu viel Lärm, Rauchen, Trinken und andere „Vergehen“ verhängen. Bei Prügeleien droht sogar die Abschiebung. [...]
Handelt es sich bei solchen Arbeitsverhältnissen um „Zwangsarbeit“ nach den ILO-Kriterien? Nein, behauptet man bei SSFC: „In der langen Geschichte unseres Unternehmens hat es sogenannte Zwangsarbeit nie gegeben und es wird sie auch künftig nicht geben.“ [...]
Neuerdings drängen die Multis allerdings selbst auf Wandel. In ihrem Verhaltenskodex für Zulieferer untersagen Continental, Bosch, Hella und DSM den Einsatz von Zwangsarbeit. Einige Unternehmen verpflichten ihre Lieferfirmen überdies auf ethische – mithin gebührenfreie – Anwerbung, was bedeutet, dass die Arbeitgeber selbst für die Kosten aufkommen müssten. [...]
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