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Meinung

12 Feb 2016

Autor:
Dorothée Baumann-Pauly, Center for Business and Human Rights, NYU Stern School of Business und Isabel Ebert, Business & Human Rights Resource Centre

Flüchtlinge als Wirtschaftsfaktor: Deutsche Unternehmen ergreifen die Chance

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[Dies ist eine aktualisierte, deutsche Version des englischen Blogs vom 27. Januar 2016]

In ihrer Neujahrsansprache forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Deutschen dazu auf, die knapp 1,1 Millionen Flüchtlinge als Chance für Deutschlands und Europas Zukunft zu betrachten.

Merkel ließ die zentrale Rolle von Unternehmen für die Integration von Flüchtlingen in ihrer Ansprache unerwähnt, doch einige Unternehmen engagieren sich bereits. Vor allem deutsche Unternehmen haben schon im vergangenen Jahr Integrationsprogramme für  Flüchtlinge initiiert. 

Die deutschen Automobilhersteller Daimler und BMW starteten beispielsweise im November 2015 Pilotprogramme um Flüchtlinge in kurzfristigen Weiterbildungsmaßnahmen zu beschäftigen. Begleitet von kostenlosen Deutschkursen sollen diese Maßnahmen die Möglichkeiten zukünftiger Beschäftigung vergrößern und die Integration erleichtern. Die Programme sind in der Pilotphase zunächst auf 40 Auszubildende beschränkt. Beide Unternehmen arbeiten jedoch eng mit der Bundesagentur für Arbeit um die Testphase auszuweiten.

Neben börsennotierten Großkonzernen haben auch viele kleine und mittlere Unternehmen begonnen, unbesetzte Ausbildungsstellen mit Flüchtlingen zu füllen. Mit sinkendem Interesse geeigneter junger deutscher Erwachsener an einem solchen Berufseinstieg könnte die gezielte Einbindung von Flüchtlingen den besorgniserregenden Trend vakanter Ausbildungsstellen, beispielsweise im Handwerk, bremsen. So verkündeten Anfang Februar Bildungsministerium, Arbeitsagentur für Arbeit und der Zentralverband des deutschen Handwerks ihre Kooperation zur Unterstützung von bis zu 10.000 jungen Flüchtlingen beim Erwerben grundlegender Sprachkenntnisse und Berufskenntnisse im handwerklichen Bereich. 

Die Umsetzung dieser Integrationsprogramme ist für Unternehmen derzeit noch mit einigen Risiken behaftet. Solange der Aufenthaltsstatus und damit auch der Beschäftigungsstatus von Flüchtlingen nicht hinreichend geklärt ist, steht das unternehmerische Engagement auf tönernen Füßen. Aktuell investieren Unternehmen wertvolle Ressourcen in die Ausbildung von Flüchtlingen, die sie jedoch erst dann lang- oder mittelfristig beschäftigen können, wenn eine Entscheidung über ihren Asylantrag gefällt wurde. Es ist daher die Aufgabe der Regierung, Verwaltungsprozesse zu verbessern und den Regulierungsrahmen mit einer gezielten Arbeitspolitik für Flüchtlinge zu erweitern. Wenn Integrationsprozess behindernde administrative Hemmnisse beseitigt, sowie der Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen schneller geklärt werden könnte, würde dies mehr Unternehmen ermutigen, ähnliche Programme  umzusetzen.

Im restlichen Europa ist das Engagement von Unternehmen in diesen Fragen begrenzt. Im Oktober 2015 kontaktierte das Business & Human Rights Resource Centre (BHRRC), eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in London, 35 Unternehmen in Europa und befragte diese zu ihren Reaktionen auf die Flüchtlingskrise. Nur 15 Unternehmen antworteten, davon waren 10 Unternehmen aus Deutschland.

Die Tatsache, dass das Engagement der deutschen Unternehmen momentan führend ist, kann auch zu einem gewissen Grad auf die sinkende Zahl deutscher Erwerbstätiger zurückgeführt werden. Aufgrund der Überalterung der Bevölkerung ist Deutschland gezwungen in den nächsten Jahrzehnten zusätzliche Arbeitskräfte aufzunehmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßten daher den Zustrom von Flüchtlingen.

Auf Grundlage der Studie des BHRRC fällt das derzeitige Engagement deutscher Unternehmen für Flüchtlinge in folgende Kategorien: (1) Engagement für Flüchtlinge im Kerngeschäft, (2) Öffentliches Engagement für gesellschaftliche und staatliche Maßnahmen  zur Integration von Flüchtlingen, und (3) Spenden und andere philanthropische Beiträge. Dies zeigt, dass deutsche Unternehmen auf unterschiedliche Weise auf den Handlungsbedarf zur Integration von Flüchtlingen reagieren.

Die Flüchtlingsthematik stellt auch die unternehmerische  Selbstverpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechten vor eine konkrete Umsetzungsherausforderung. . Daimler und BMW haben sich bereits vor einigen Jahren dazu entschlossen, eine explizite Menschenrechtspolitik in ihr globales Geschäftsmodell zu integrieren. Sie stellen folglich ihr Engagement für Flüchtlinge auch in diesen thematischen Kontext. Die politischen Konflikte in ihren Heimatländern hat Flüchtlingen oft ihrer elementarsten Grundrechte beraubt. Milagros Caina-Andree, ein Vorstandsmitglied der BMW Group der für das Personalwesen zuständig ist, sagte hierzu: „Es ist für uns selbstverständlich, dass wir einen Beitrag zur Integration der Menschen leisten, die ihre Heimat verlassen mussten und zu uns kommen.“

Daimler-Chef Dieter Zetsche weist zudem darauf hin, dass seiner Ansicht nach Flüchtlinge voller Potential stecken: "Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Genau solche Leute suchen wir".

Unabhängig von dem möglichen ökonomischen Nutzen des Flüchtlingszustroms, nähern sich folglich auch einige Unternehmen dem Thema aus der Menschenrechts-Perspektive und mobilisieren abteilungsübergreifend Kräfte um Integrationsprogramme aufzusetzen.

Unternehmensintegrationsprogramme spielen eine entscheidende Rolle für das, was die Regierung als die größte politische Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung beschrieb. Die Regierung und die Wirtschaft, zusammen mit der Zivilgesellschaft, müssen an einem Strang ziehen  um die Mammutaufgaben im Zusammenhang der anhaltenden Flüchtlingswelle zu bewältigen.

Wie schnell Neuankömmlinge in die Arbeitswelt eingegliedert werden können ist für den wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Integrationserfolg von entscheidender Bedeutung. Die jüngsten Zahlen des Economist bestätigen, dass Flüchtlinge ein positives Stimuli für die Wirtschaft in Ankunftsländern setzen können, sofern sie rasch ein geregeltes Arbeitsverhältnis eingehen können. Die Programme von Daimler und BMW zeigen, was Unternehmen bereits jetzt tun können, aber mehr Firmen - nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa – müssen sich der Notwendigkeit bewusst werden und mitanpacken. Das Engagement der Unternehmen muss dann über bloße Philanthropie hinausgehen und Flüchtlinge in Kernaktivitäten einbinden, so wie es die Ausbildungsprogramme der deutschen Automobilindustrie tun. Erst dann kann Merkels Mantra „wir schaffen das“ Wirklichkeit werden.