Umweltrechte und Rohstoffkonflikte in Lateinamerika: Escazú-Abkommen kann 2021 in Kraft treten
Am 5. November 2020 ratifizierte Mexiko als elfter Staat das sogenannte Escazú-Abkommen, eine Vereinbarung der Staaten Lateinamerikas und der Karibik zur Etablierung regionaler Transparenz- und Umweltstandards. Da somit die vorgegebene Mindestzahl an Ratifikationen erreicht worden ist, kann das Abkommen im Jahr 2021 in Kraft treten. Dadurch wurde ein innovatives multilaterales Instrument geschaffen, das für mehr Bürgerbeteiligung und eine bessere Durchsetzung von Bürgerrechten in Umweltbelangen sorgen soll. In Lateinamerika sind wirtschaftliche Interessen an der Ausbeutung von Rohstoffen dominant, außerdem gibt es eine hohe Zahl an Ressourcenkonflikten. Vor diesem Hintergrund eröffnet das Abkommen betroffenen indigenen Völkern und Verteidigern von Menschenrechten in Umweltbelangen neue Möglichkeiten der Information, Partizipation und des Zugangs zum Justizwesen. Trotz dieses ersten verbindlichen Schritts nach vorne fehlen noch die Ratifizierungen maßgeblicher Staaten der Region. Viele von ihnen wollen dem Abkommen gegenwärtig nicht beitreten, da sie ihre nationale Souveränität und Entscheidungsfreiheit durch Vertragsbestimmungen verletzt sehen. Deutschland und Europa bietet das Abkommen neue Ansatzpunkte bei der Formulierung von Lieferkettengesetzen...
Als Konkretisierung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2011 könnte das Escazú-Abkommen zusammen mit den Umweltstandards der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (1969) Synergien schaffen, um einen regional einheitlichen und verbindlichen Rahmen zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte durch Unternehmen und Staaten zu bilden. Entscheidend für die Wirksamkeit des Abkommens wird sein, wie robust die rechtlichen Bestimmungen und finanziellen Voraussetzungen (etwa für Umweltverträglichkeitsprüfungen) angelegt werden und wie konsequent die Gerichtsbarkeit dabei agiert, die Bestimmungen durchzusetzen.
Auch wenn Lateinamerikas verarbeitende Industrie nicht in großem Umfang Teil von Lieferketten ist, so beziehen sich Regelwerke wie das Escazú-Abkommen in zentraler Weise auf die umfassende Unternehmensverantwortung bei der Ausbeutung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die aktuellen Diskussionen, die in Deutschland und Europa über Lieferkettengesetze stattfinden, werden in der Region sehr genau wahrgenommen, die Herausforderungen kritisch diskutiert, die sich für die daraus abzuleitenden Unternehmens- und Staatenpflichten ergeben. Das Escazú-Abkommen greift Regelungstatbestände auf, die auch in den gegenwärtigen Debatten über die Ausgestaltung der Unternehmensverantwortung relevant sind. Die Gesetzgeber sollten daher die in der Region formulierten Standards (etwa des Escazú-Abkommens) aufgreifen und in ihre Überlegungen einbeziehen. Gerade aus der Komplementarität internationaler, regionaler und lokaler Standardsetzung könnte sich eine Steuerungswirkung für das Verhalten von Unternehmen ergeben, die über freiwillige Selbstverpflichtungen hinausgeht.