Protestcamp gegen Abschiebungen am BER „Gegen Haft für Geflüchtete“
Mit dem "Ein- und Ausreisezentrum" wird der Berliner Flughafen zum Abschiebedrehkreuz, sagen Kritiker*innen. Sie haben ein Protestcamp organisiert.
taz: Frau Brenner*, die Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ veranstaltet Anfang Juni ein Protestcamp direkt neben dem Flughafen. Warum?
Lola Brenner: Schönefeld wird das neue Abschiebedrehkreuz für ganz Deutschland, dort soll ein riesiges Abschiebezentrum gebaut werden. Wir möchten zu diesem Anlass viele Gruppen und Menschen, die bereits großartige Arbeit gegen Abschiebungen und strukturellen Rassismus machen, zusammenbringen, damit sie sich weiter vernetzen und Widerstand leisten.
Es gibt ja schon Abschiebungen am BER. Warum sollte das durch das geplante Ein- und Ausreisezentrum mehr werden?
Offiziell heißt es zwar Ein- und Ausreisezentrum oder auch Behördenzentrum, aber das ist nur ein Euphemismus. Das ist für uns ganz klar ein Abschiebeknast, das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Es gibt jetzt schon einen Knast am Flughafen, der soll deutlich erweitert werden. Knapp 110 Menschen sollen dort in Ausreisegewahrsam und Flughafenasylverfahren inhaftiert werden. Aber es stimmt, es gibt am BER jetzt schon regelmäßig Sammelabschiebungen vom Terminal 5. Deshalb kämpft dieses Protestcamp nicht nur gegen den geplanten Abschiebeknast, sondern auch gegen Abschiebungen generell – und gegen die aktuelle Stimmungsmache der Bundesregierung, die immer mehr auf Abschottung und Abschiebung setzt, sowohl in Deutschland als auch in der EU. [...]
Sind Sie gegen jegliche Abschiebungen? Auch von Straftätern?
Ja, als Initiative sind wir gegen jede Form von Abschiebung und fordern ein Bleiberecht für alle Menschen. Es darf keine Doppelbestrafung geben, wenn Menschen in Deutschland verurteilt und danach abgeschoben werden, weil durch die Verurteilung ihr Aufenthaltstitel entfällt.
Sie sagen also, dass jeder Mensch nach Deutschland kommen und hier leben kann?
Ja, wir glauben daran, dass es ein Recht auf Migration geben sollte und es anders in einer globalen Welt nicht möglich ist. Schließlich hat unter anderem Deutschland von Kolonialismus und kapitalistischer Ausbeutung profitiert. Abschottung heißt, globale Ungleichheit aufrechtzuerhalten.
Es ist also eine Frage der Gerechtigkeit, dass jede*r hingehen darf, wo er*sie möchte?
Ja, besonders aus einer postkolonialen Perspektive. Migration ist historisch ja keine Anomalie, Menschen sind immer migriert, Jahrhunderte lang vor allem Europäer*innen. Zu Zeiten des Kolonialismus sind Europäer*innen hingegangen, wo sie wollten, und haben die Menschen brutal ausgebeutet. Diese Strukturen wirken bis heute fort.
Und unsere Ressourcen hier, Arbeit, Wohnung und so weiter, die müssen wir dann teilen mit allen Menschen, die kommen?
Ja, wir sind immer noch eines der reichsten Ländern der Welt. Es gibt genügend Ressourcen. Wir sagen, es gibt genügend Platz für alle. Es ist eine Frage der Verteilung.
Sie haben gesagt, dass das Camp auch der Vernetzung von Gruppen dient, die zu Abschiebungen und Rassismus arbeiten. Wie hängt das zusammen?
Wir sehen Abschiebungen als menschenverachtendes und rassistisches Instrument der Politik. Wir sehen, dass Menschen abgeschoben werden, die wir hier aus rassistischen Gründen nicht haben wollen. Das Asylsystem bedeutet eine Hierarchisierung, was wir im Migrations- und Fluchtkontext ständig sehen. Manche sind „gute“ Flüchtlinge, manche „schlechte“, die wir nicht hier haben wollen, weshalb wir uns das Recht nehmen, sie auszuschließen. [...]