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Artikel

28 Jan 2024

Autor:
Jonas Seufert, taz

EU-Lieferkettengesetz: Unternehmen wollen Regeln

Milliardenschwere Reedereien, ein großer deutscher Supermarkt, ein Möbelgigant, ein Pharma-Unternehmen, mittelständische Bekleidungshersteller aus Süddeutschland – sie alle wollen, dass die Politik ihre Lieferketten reguliert: mit einem starken EU-Lieferkettengesetz.

Das ist bemerkenswert. Denn momentan scheint es in Deutschland so, als laufe die gesamte Wirtschaft Sturm gegen das Gesetz, das einheitliche Regeln für den Schutz von Menschenrechten in den Lieferketten größerer Unternehmen schaffen soll...

Das Gesetz ist fertig verhandelt und muss im Februar eigentlich nur noch formal beschlossen werden. Doch auf den letzten Metern stellt die FDP sich quer, flankiert von den lauten Stimmen deutscher Verbände.

Nur: Wer sich bei Unternehmen umhört, bekommt ein viel differenzierteres Bild. Mittelständler und Großkonzerne in Deutschland und Europa sprechen sich für ein starkes Gesetz aus. Die Reedereien Maersk und Hapag-Lloyd etwa, der Konsumgüterriese Unilever, der Möbelgigant Ikea, der Discounter Aldi Süd, der Versandhandel Hess Natur, das Bekleidungsunternehmen S.Oliver oder der Outdoor-Hersteller Vaude. In Dänemark und in den Niederlanden haben große Wirtschaftsverbände ein starkes Lieferkettengesetz ausdrücklich begrüßt – ganz im Gegensatz zu ihren deutschen Partnern...

Offensichtlich sprechen die Verbände nicht für alle Unternehmen.

Umfragen zeigen, dass sich Unternehmen in Deutschland längst auf die Lieferkettengesetze eingestellt haben. Die Unternehmensberatung Inverto hat jüngst für eine Studie über 600 Manager großer deutscher und französischer Unternehmen befragt. Ein Großteil der Firmen plant demnach bereits mit einem europäischen Lieferkettengesetz. Drei Viertel der Befragten rechnen durch eine einheitliche EU-Richtlinie sogar mit zusätzlichen Einnahmen...

Beispiel Aldi Süd. Man begrüße die Einigung, schreibt der Discounter auf Anfrage. Sie schaffe ein „level playing field“, also gleiche Bedingungen für alle Wettbewerber... Ähnlich argumentiert die Bekleidungsfirma s.Oliver.

Das Unternehmen Tchibo, bekannt für Kaffee und Konsumgüter, geht von sich aus in die Offensive. „Es ist wichtig, dass Deutschland dieser EU-Richtlinie […] jetzt zustimmt“, schreibt Johanna von Stechow, Leiterin der Unternehmensverantwortung auf LinkedIn. Ihre Kollegin Frederike Boll, Managerin im Bereich Menschenrechte, ergänzt: „Ich bin entsetzt über das Handeln der FDP und hoffe, dass der Rest der Bundesregierung stabil bleibt und sich durchsetzt, für das europäische Lieferkettengesetz zu stimmen.“ ...

Die „Responsible Business Alliance“, ein Zusammenschluss aus 230 internationalen Unternehmen, habe sich in diesen Tagen erneut an den Bundeskanzler gewandt, um ihre Wertschätzung für das Gesetz auszudrücken, heißt es. Zu dem Unternehmensbündnis zählen etwa BMW, Airbus oder Amazon.

Antje von Dewitz, die Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude aus Baden-Württemberg, hat dem Bundeskanzler sogar einen offenen Brief geschrieben, damit er dem Gesetz zustimmt. Darin steht: „Es ist möglich, Verantwortung in der Lieferkette zu übernehmen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein.“


Siehe auch: Eine Befragung unter mehr als 600 Geschäftsführern, Managern und Vorständen deutscher und französischer Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zu den geplanten EU-Vorgaben ergab, dass der Großteil der Unternehmen längst mit dem Gesetz planen. 78 Prozent hielten die Auflagen für »erreichbar«, fühlten sich »gut aufgestellt«, sie umzusetzen. Drei Viertel der Befragten rechnen mittel- bis langfristig mit einem »return on investment«, also zusätzlichen Einnahmen oder neuem Geschäft. Mehr dazu im SPIEGEL (erwähnt u.a. Tchibo, Ritter Sport, L'Oréal, BMW, Aldi, Hapag-Lloyd, Scania, IKEA), 26. Januar 2024.

Weitere Beiträge:

Fünf Mythen und Fakten zur EU-Lieferkettenrichtlinie, Handelsblatt, 27. Januar 2024

EU-Lieferkettengesetz beschert Firmen zusätzliche Einnahmen, Wallstreet Online, 26. Januar 2024

Unternehmerin widerspricht FDP und Verbänden, Tagesspiegel, 24. Januar 2024

Brief an politische Verantwortliche: Bitte um Zustimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie, B.A.U.M. Netzwerk für Nachhaltiges Wirtschaften, 29. Januar 2024

Die CSDDD ist eine Chance für die Wirtschaft!, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, 30. Januar 2024

Warum kluge Regulierung effiziente und nachhaltige Lieferketten erwirken kann, Op-ed von SAP Vorstandsmitglied Thomas Saueressig & Rechtsanwältin Anahita Thoms, Handelsblatt, 15. Januar 2024

Brief an den Bundeskanzler, 23+ Unternehmen aus der Textil-, Reise- und Lebensmittelindustrie (u.a. VAUDE, S.Oliver, Tchibo, KiK), Dezember 2023


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