abusesaffiliationarrow-downarrow-leftarrow-rightarrow-upattack-typeburgerchevron-downchevron-leftchevron-rightchevron-upClock iconclosedeletedevelopment-povertydiscriminationdollardownloademailenvironmentexternal-linkfacebookfiltergenderglobegroupshealthC4067174-3DD9-4B9E-AD64-284FDAAE6338@1xinformation-outlineinformationinstagraminvestment-trade-globalisationissueslabourlanguagesShapeCombined Shapeline, chart, up, arrow, graphLinkedInlocationmap-pinminusnewsorganisationotheroverviewpluspreviewArtboard 185profilerefreshIconnewssearchsecurityPathStock downStock steadyStock uptagticktooltiptwitteruniversalityweb

This page is not available in English and is being displayed in German

Article

26 Mar 2021

Author:
John G. Ruggie, Shift

John Ruggie begrüßt in Brief an Minister Einigung auf Lieferkettengesetz-Entwurf, fordert zugleich aber stärkere Orientierung an UN-Leitprinzipien

9 Mach 2021

Inoffizielle Übersetzung des bei Shift veröffentlichten englischen Originals | komplette Übersetzung: siehe Anhang (PDF)

[I]ch schreibe Ihnen als ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte und Autor der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte...

...Der Gesetzentwurf enthält begrüßenswerte Elemente. Beispielsweise wird von Unternehmen erwartet, dass sie untersuchen, wie ihre eigenen Einkaufspraktiken zur Minderung von Menschenrechts- und Umweltrisiken beitragen können. Außerdem erkennt das Gesetz an, dass zur Gewährleistung einer substanziellen Sorgfaltspflicht Rechenschaftsmaßnahmen notwendig sind... Der Entwurf sieht keinen neuen zivilrechtlichen Haftungstatbestand vor, die Regierung hat aber angedeutet, dass sie dies nicht davon abhalten wird, auf EU-Ebene ehrgeizigere Maßnahmen zu unterstützen.

In der Präambel des Gesetzentwurfs heißt es, dass sich die Anforderungen am Sorgfaltsstandard der UN-Leitprinzipien (UNLP) orientieren. Der Text verweist auch auf die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die in diesem Bereich die UNLP widerspiegeln.

Das ist alles gut so. Gleichzeitig stellen sich bei genauer Durchsicht des Entwurfs aber erhebliche Fragen zu einigen spezifischen Formulierungen im Gesetz und dazu, wie sie in der Praxis interpretiert werden könnten. Im Folgenden werde ich einige Bereiche benennen, die erneut geprüft werden sollten, damit sie sich wie im Gesetz versprochen an den UNLP orientieren. Vielleicht helfen die Punkte auch der Europäischen Kommission, die gerade am Entwurf einer EU-weiten Gesetzgebung arbeitet.

  1. Ein Fokus auf Tier (Stufe) 1. Obwohl der Gesetzentwurf den Begriff der Lieferkette breit definiert, um die gesamte Wertschöpfungskette einzubeziehen, gelten die spezifischen Unternehmenspflichten, Risiken proaktiv zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, nur für den eigenen Geschäftsbereich und... Tier-1-Lieferanten. Im Gegensatz dazu decken die UNLP und OECD-Leitsätze das gesamte Akteursspektrum in der Wertschöpfungskette ab, und zwar aus dem einfachen Grund, dass Tier-1-Lieferanten in der Regel nicht die größte Problemquelle sind... Eine ausschließliche Fokussierung auf Tier 1 würde dazu führen, dass sich Unternehmen auf Geschäftsbeziehungen konzentrieren, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit signifikante Menschenrechtsrisiken aufweisen, während Unternehmen andere Beziehungen (über Tier 1 hinaus) ignorieren, in denen die Wahrscheinlichkeit solcher Risiken höher ist.
  2. Risiken über Tier (Stufe) 1 hinaus. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Unternehmen als ersten Schritt eine Risikoanalyse durchführen soll, wenn es „substantiierte Kenntnis“ über eine mögliche Verletzung über Tier 1 hinaus erlangt. Gemäß den UNLP besteht ein wesentlicher Zweck der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zunächst darin, mögliche Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren. Wenn bereits „substantiierte Kenntnis“ über eine mögliche Verletzung besteht, ist die Durchführung einer Risikoanalyse möglicherweise gar nicht mehr notwendig; stattdessen sollte das Unternehmen an diesem Punkt gemäß UNLP ermitteln, was seine Abhilfe- bzw. Wiedergutmachungsverpflichtungen [remedial obligations] sind...
  3. Folgenschwere menschenrechtliche Risiken. Die UNLP und OECD-Leitsätze erkennen an, dass der relative Schweregrad menschenrechtlicher Risiken, mit denen die Geschäftstätigkeit und Wertschöpfungskette eines Unternehmens in Verbindung stehen, variiert... Der erste Schritt in der Risikobewertung eines Unternehmens sollte darin bestehen, die schwerwiegendsten Risiken für Menschen zu identifizieren... Das Konzept folgenschwerer menschenrechtlicher Risiken scheint im Gesetzentwurf jedoch nicht vorzukommen.
  4. Einfluss... [Das] Konzept einer einflussbasierten Verantwortung steht in grundlegendem Widerspruch zu den UNLP und OECD-Leitsätzen. Verantwortung ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen der negativen Auswirkung und den Aktivitäten, Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens. Einfluss spielt dann eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, wie ein Unternehmen dem Problem vernünftigerweise begegnen kann. Darüber hinaus liegt der Umfang, in dem ein Unternehmen über Einfluss verfügt, zum Teil in seinen eigenen Händen...
  5. Vertragliche Durchsetzung. Für die laufende Durchsetzung der Sorgfaltspflicht verlässt sich der Gesetzentwurf darauf, dass das federführende Unternehmen dieselben Anforderungen per Vertrag an seine Tier-1-Lieferanten weitergibt und diese vertraglichen Verpflichtungen dann kaskadenartig die gesamten Lieferkette hinunterwandern... [V]erbesserte Lieferkettentransparenz [ist] Voraussetzung für den im Gesetzentwurf verfolgten Ansatz, wird aber nicht groß hervorgehoben. Genauso wichtig ist die Feststellung, dass ein Fokus auf vertragliche Maßnahmen gleichzeitig die Rolle positiver Anreize übergeht, wie auch die Rolle von Kapazitätsaufbau und anderen kooperativen Ansätzen im Umgang mit Lieferanten.
  6. Substanzielle Einbeziehung von Stakeholdern. Der Gesetzentwurf geht nicht explizit auf die Notwendigkeit für Unternehmen ein, sich auf Einzelpersonen und Gemeinschaften zu konzentrieren, die von Geschäftsaktivitäten oder Wertschöpfungsketten betroffen sind oder betroffen sein könnten. Die beigefügte Begründung weist zwar auf die Bedeutung von Gesprächen mit Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften hin. Die UNLP und OECD-Leitsätze formulieren jedoch die Erwartung, dass sich die Einbeziehung von Stakeholdern auf den gesamten Sorgfaltspflichtenprozess auswirkt und auf alle relevanten Stakeholder erstreckt...

Es gibt noch weitere Punkte, die in Bezug auf die UNLP und OECD-Leitsätze angemerkt werden könnten, aber meiner Meinung nach sind dies einige der wichtigsten.

Erlauben Sie mir abschließend, die Bundesregierung... zu beglückwünschen... Die deutsche Führungsrolle in diesen Fragen ist sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas von enormem Wert und von enormer Bedeutung. Ich teile diese Überlegungen mit Ihnen im Geiste der Unterstützung für diese fortdauernde Führungsrolle bei der Förderung der Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen, im Einklang mit den UN-Leitprinzipien. Ich hoffe sehr, dass der Brief in diesem konstruktiven Sinne aufgenommen wird.

Komplette Übersetzung: siehe Anhang (PDF) oben

Timeline