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Der Inhalt ist auch in den folgenden Sprachen verfügbar: English

Bericht

3 Jul 2023

Autor:
FIAN,
Autor:
Südwind

Policy Paper: Für eine umfassende Verpflichtung des Finanzsektors im EU-Wertschöpfungskettengesetz

"Don't let the financial sector off the hook! Für eine umfassende Verpflichtung des Finanzsektors im EU-Wertschöpfungskettengesetz"

Das vorliegende Policy Briefing Paper beschäftigt sich mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten für Finanzunternehmen. Es zählt die diesbezüglichen Anforderungen auf, die die OECD-Guidelines for Multinational Enterprises on Responsible Business Conduct und die UN Guiding Principles on Business and Human Rights an ihre Übertragung in Rechtsnormen formulieren. Die Stärken und Schwächen der Vorschläge zur gesetzlichen Umsetzung im EU-Wertschöpfungskettengesetz der EU-Kommission, des EU-Rats und des EU-Parlaments werden vergleichend zu diesen Anforderungen bewertet. Für die laufenden Trilogverhandlungen werden diejenigen Vorschläge hervorgehoben, für deren Beibehaltung sich die deutsche Bundesregierung und die deutschen Mitglieder des Europaparlaments mit dem Ziel einer bestmöglichen Übereinstimmung des EUWertschöpfungskettengesetzes mit globalen Standards einsetzen sollten. [...]

Für den Trilog: Koalitionsversprechen einhalten und bestmögliche Vorschläge umsetzen

Seit 8. Juni 2023 verhandeln die EU-Kommission, der EU-Rat und das EU-Parlament im Trilogverfahren ihre Positionen und versuchen, einen Kompromiss zu finden. Eine Verschärfung der Regelungen, um den Anforderungen der UNGP und der OECD-Guidelines gerecht zu werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Die deutsche Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag von November 2021 versprochen, „ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte“ zu unterstützen. Als Vertreterin eines volkswirtschaftlichen Schwergewichts im EU-Gefüge hat sie erheblichen Einfluss insbesondere auf die Verhandlungsposition des EU-Rates. Diesen sollte sie dazu nutzen, unter den gegebenen Vorschlägen die bestmöglichen beizubehalten und damit ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Zu den beizubehaltenden Vorschlägen gehören insbesondere die Folgenden (in der Tabelle rot umrandet):

1. Verbindlicher Einbezug des Finanzsektors

Das Ziel des EU-Wertschöpfungskettengesetzes ist es, harmonisierte Regeln für alle in den EU-Mitgliedstaaten tätigen Unternehmen zu schaffen. Die Position des Europäischen Rates untergräbt jedoch dieses Ziel, indem sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Sorgfaltspflichten für Geschäftspartner von Finanzunternehmen, die Finanzdienstleistungen erhalten, auszuschließen. Wenn die Mitgliedstaaten beschließen, diese Unternehmen nicht einzubeziehen, würden schwere Menschenrechtsverletzungen, wie sie in den o.g. Studien dokumentiert wurden, weiterhin von EUFinanzunternehmen ermöglicht. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass dadurch ein Flickenteppich einzelstaatlicher Verpflichtungen für den Finanzsektors entsteht. Damit würde die Chance verspielt werden, mit der Regulierung Europa als Sustainable Finance Standort zu stärken und Unsicherheit über kommende Pflichten im Sektor entstehen. Um dies zu verhindern, plädieren wir nachdrücklich für die verpflichtende Einbeziehung des Finanzsektors in den Geltungsbereich des EUWertschöpfungskettengesetzes und für differenzierte Sorgfaltspflichten nach Involvierungsgrad in negative Auswirkungen, wie vom EU-Parlament vorgeschlagen.

2. Sorgfaltspflichten für Investoren

Der EU-Rat schlägt vor, Investmentfonds vom Anwendungsbereich der CSDDD auszunehmen (Art. 2.7). Dies verkennt deren Einfluss. Ende 2022 hatten sie in Europa einen Nettoinventarwert von 19,1 Billionen Euro, mehr als zwei Drittel des gesamten europäischen Finanzvermögens. Fondsinvestitionen fließen immer wieder in Projekte, die mit Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang stehen. Z.B. haben FIANs Recherchen zufolge institutionelle Anleger und europäische Fondsmanager über Investmentfonds fast zweihundert Millionen Euro in den kambodschanischen Mikrofinanzsektor investiert und damit zur Überschuldung, Nahrungsmittelknappheit und zum Landverlust benachteiligter Bevölkerungsgruppen beigetragen. Eine kürzlich veröffentlichte Befragung der 77 größten Vermögensverwalter durch ShareAction zeigt, dass nur die wenigsten Vermögensverwalter Investments in menschenrechtsverletzende Unternehmen explizit ausschließen. Greenwashing im großen Stil bei vermeintlich nachhaltigen Investmentsfonds macht deutlich, dass die diesbezügliche EU-Sustainable Finance Regulierung (SFDR) nicht ausreichend ist. Mit der Aufnahme in den Geltungsbereich der CSDDD entsprechend des EU-Parlamentsvorschlags (Art. 8a) werden institutionelle Investoren und Vermögensverwalter verpflichtet, bei ihren Investitionen Sorgfalt walten zu lassen, um zumindest tatsächliche negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt zu beenden und zu minimieren. Wünschenswert wäre ein analoger Artikel 7a, der Investorenpflichten auch zur Vermeidung und Minderung potenzieller negative Auswirkungen definiert, wie das auch für alle anderen Unternehmen der Fall ist. Realistisch umsetzbar werden diese Sorgfaltspflichten durch den risikobasierten Ansatz, den das EU-Parlament vorschlägt. Er versetzt Investoren und Unternehmen insgesamt in die Lage, potenzielle oder tatsächliche nachteilige Auswirkungen auf der Grundlage ihrer Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit zu priorisieren und die wichtigsten zuerst zu behandeln.

3. Harmonisierung der Kriterien für den Anwendungsbereich mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Über die aktuellen Vorschläge hinaus wäre es sinnvoll, dass die Grenzwerte der EUParlamentsposition für Unternehmensgröße und Umsatz in vollständige Übereinstimmung mit den Kriterien für den Anwendungsbereich der CSRD gebracht werden. Die Ausrichtung der CSRD ist ähnlich wie die des EU-Wertschöpfungskettengesetzes, fokussiert aber die Berichtspflichten. Damit ließe sich erreichen, dass Investoren, die zwar enorme Summen bewegen, aber oftmals nur wenige Mitarbeitenden haben, durch die beiden Kriterien Umsatz >40 Millionen Euro und Bilanzsumme >20 Millionen Euro erfasst würden.

4. Einbezug von Einrichtungen der Altersversorgung, die als Systeme der sozialen Sicherheit gelten

Wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen, müssen auch Einrichtungen der Altersversorgung, die als Systeme der sozialen Sicherheit gelten, in den Anwendungsbereich des EUWertschöpfungskettengesetzes fallen, ebenso wie dies alle Vorschläge für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung vorsehen. Als institutionelle Anleger gesetzlicher Rentenbeiträge bewegen sie enorme Summen, mit teilweise erheblichen Auswirkungen. Z.B. zeigt die FIAN-Fallarbeit, dass der 2. schwedische Pufferfonds Andra AP-fonden (AP2) durch seine Investitionen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro in die in den USA ansässigen Landwirtschaftsfonds TCGA I und II an Menschenrechtsverletzungen in Brasilien involviert ist. Seine Investitionen und diejenigen weiterer institutioneller Anleger wurden dazu genutzt, um riesige Landflächen in der brasilianischen Ökoregion Cerrado zu erwerben, einige davon illegal. Die Landkäufe trugen zu Landraub, Abholzung, Verschmutzung von Wasser und Feldern sowie zu Ernährungsunsicherheit und anderen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die betroffenen ortsansässigen Gemeinden bei. Durch die Einbeziehung von Einrichtungen der Altersversorgung, die als Systeme der sozialen Sicherheit gelten, wäre AP2 verpflichtet, die negativen Auswirkungen zu bewerten und abzumildern und so illegale Übernahmen und weitere Menschenrechtsverletzungen wirksamer zu verhindern.

5. Periodische Risikoermittlung

Gemäß den UNGPs und den OECD-Leitlinien sollen Risiken für potenzielle oder tatsächliche negative Auswirkungen periodisch erhoben werden. Auch die Sustainable Finance Regulierung wie die SFDR und die CSRD betrachten sorgfaltsbezogene Risikoprüfung als einen periodischen Prozess. Der Vorschlag der Kommission und die Position des Rates, die für Finanzunternehmen eine Risikoprüfung nur vor der Erbringung einer Finanzdienstleistung vorsehen, stehen dazu im Widerspruch. Menschenrechts- und Umweltrisiken sind aber nicht statisch und können sich aufgrund von Faktoren wie der Geschäftstätigkeit oder dem Kontext ändern. So wurde der Landerwerb durch TCGA I und II von brasilianischen Behörden erst Jahre nach den Investitionen des AP2 für illegal erklärt. Deshalb sollte der Vorschlag des EU-Parlaments Eingang in das zukünftige EU-Wertschöpfungskettengesetz finden. Risikoprüfungen ergänzend auch vor einer Finanzierungsverlängerung oder anlassbezogen aufgrund der Beschwerden von Betroffenen über den Beschwerdemechanismus, eröffnen zumindest eine Chance, negative Auswirkungen, die zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, zu erkennen und zu bearbeiten. Wünschenswert wäre darüber hinaus, als weiteren Anlass für die Risikoermittlung auch die substantiierte Kenntnis – z.B. aufgrund von NGO-Studien – nach Art. 19 der CSDDD-Entwürfe vorzuschreiben.

6. (K)eine utopische Forderung: Sorgfaltspflichten für die gesamte Wertschöpfungskette von Finanzunternehmen

Alle drei Positionen weichen mit einer finanzsektorspezifisch begrenzten Wertschöpfungskettendefinition auf direkte Großkunden erheblich von den Vorgaben der UNGP und der OECD-Guidelines ab. Wie das Beispiel der AP-Investitionen in einen US-basierten Landfonds zeigt, sind finanzielle Wertschöpfungsketten häufig verschachtelt. Es ist nicht der Manager des Landfonds, der die oben geschilderten negativen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Auswirkungen direkt verursacht, sondern es sind Firmen, die in ihrem Namen Land kaufen, und landwirtschaftliche Betriebe, die wiederum das Land, das sie per Leasingvertrag zur Nutzung erhalten, bewirtschaften. In ihrem Bericht für den EU-parlamentarischen Rechtsausschuss hatte die Berichterstatterin Lara Wolters die finanzsektorbezogene Ausnahmeregelung gestrichen und eine umfassende Wertschöpfungsketten-Definition vorgeschlagen, die in Übereinstimmung mit der Definition des Interpretative Guides des UN OHCHRs (s.o.) die Aktivitäten aller Einheiten in der vorund nachgelagerten Wertschöpfungskette von Unternehmen abdeckt. Eine solche Wertschöpfungskettendefinition würde den schwedischen AP2 in die Pflicht nehmen, seinen Einfluss auch auf seine indirekten Geschäftspartner geltend zu machen, um die eingetretenen negativen Auswirkungen zu beenden, minimieren und ggf. zu entschädigen, oder aber, wenn das nicht möglich ist, das Investment abzuziehen. Es ist überaus wünschenswert, dass eine solche Wertschöpfungskettendefinition Eingang in das künftige EU-Wertschöpfungskettengesetz findet.

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